D21

Rauschen und Flimmern

12 Nov - 12 Dec 2010

Rauschen und Flimmern gehören in einer durchgängig mediatisierten Umwelt der allgegenwärtigen Telekommunikationsmaschinen zum Grundbestand kultureller Erfahrung. Gleichzeitig handelt es sich um Wahrnehmungen, welche wir auch in der so genannten freien Natur, im Erleben von Bächen, Flüssen und Wäldern, machen können. Vom weißen Rauschen, über das Bildrauschen digitaler Kameras, vom urbanen Verkehrsklangraum bis hin zum ruralen Naturerleben, sind diese Phänomene als konstitutiver Teil unserer Lebenswelt anzusehen. Versucht man Rauschen und Flimmern nicht nur als negative Störungen des Übertragungsvorganges moderner Medien zu begreifen, sondern sie als eigenständige ästhetische Phänomene, als Erscheinen der Medialität von Medien (Dieter Mersch) selbst zu verstehen, eröffnen sich vielfältige Perspektiven produktiver Nutzung dieses Aspekts. Im Rauschen und vergleichbaren Phänomenen ist Geschehen, so der Philosoph Martin Seel, ohne Geschehendes erfahrbar. Ordnen mediale Bilder und Erzählungen normalerweise das Chaos der Welt, strukturieren sie die Vielfalt in streng distinguierbare Phänomene und Formen, so erscheinen sie im Rauschen gestört, die Reduzierung und Handhabbarmachung der Wirklichkeit suspendiert. Im Rauschen und Flimmern zeigt sich die Welt in ihrer prozesshaften Vielfältigkeit, als Überforderung und als Möglichkeitsraum. Eben diese Verwandlung von reiner, sensueller Überreizung in einen neu entstehenden Möglichkeitsraum zeichnet die ästhetischen, also genuin künstlerischen Praktiken aus. Legen Praxis und Theorie der Medien oftmals nur Zeugnis von den Allmachtsphantasien der Gleichzeitigkeit und Alldarstellbarkeit unserer Gegenwart ab, verweisen die ästhetischen Praktiken des Rauschens und Flimmerns, welche die Ausstellung präsentiert, auf die blinden Flecke in unseren Weltbildern, als Korrektiv durchgängig ästhetisierter Lebenswelten. / Kuratiert von Melanie Albrecht und Michael Wehren.

Lars Brinkmann
Lars Brinkmann arbeitet als freier Kultur-Journalist und bringt sein eigenes Periodikum (GRIMM) heraus. Im Rahmen der Ausstellung Rauschen und Flimmern wird er am 13.November 2010, 17 Uhr, einen Vortrag unter dem Titel “Dionysisches Rauschen – von Bromius zu Merzbow” im D21 Kunstraum halten. Der Eintritt ist frei!

Drone Records
Eine Hörstation wird eine Auswahl der KünstlerInnen in Kooperation mit dem Experimental- und Avantgarde-Label Drone Records präsentieren. Außerdem werden alle hundert veröffentlichten 7”es gezeigt. Die Eröffnung am 12. November 2010, 20 Uhr, begleiten Live-Electronics von Seetyca.

Anne M. Klint
Die Installation „Oceans“ (2006 – 2009) greift den Topos des Naturerhabenen auf. Die als Triptychon angelegte Installation reinszeniert die Erfahrung der Ohnmacht angesichts der Naturgewalten im Raum der medialen Projektion und das in Endlosschleife eingespielte Rauschen der Brandung verstärkt diese Erfahrung.

Die Ausstellung wird durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen und mit freundlicher Unterstützung der Botschaft des Königreichs der Niederlande gefördert.